Girls und Boys Talk in der Blechbüx

20.05.2022

Schweich. Am 28. April fand als bundesweiter Aktionstag der Girls Day – Mädchenzukunftstag und der Boys Day – Jungenzukunftstag statt. Am Girls und Boys Day sollen SchülerInnen die Möglichkeit bekommen, praktische Erfahrungen in frauen- oder männerdominierten Berufen zu erlangen um eine klischeefreie Berufsorientierung zu ermutigen.

Anlässlich des diesjährigen Girls und Boys Day haben Johanna Müller, sozialpädagogische Fachkraft der Stadt Schweich und Lisa Amann, Mobile Jugendarbeit der Verbandsgemeinde Schweich, zwei Männer und zwei Frauen, die Rollenklischees bei der Berufswahl bereits durchbrochen haben, zu einem Interview in das Jugendcafé Blechbüx in Schweich eingeladen.

 

Barbara Schwarz, die Geschäftsführerin der VRT GmbH, beschreibt ihren Werdegang als nicht immer eindeutig, vielmehr hat sich für sie „vieles ergeben“.
Bevor sie die Vollzeitstelle als Geschäftsführung bei der VRT GmbH angetreten ist, hat sie ein Geographiestudium absolviert, Erfahrung als stellvertretende Geschäftsführung gesammelt, war in Elternzeit und lange auf Jobsuche.
Aktuell hat sie allerdings als Geschäftsführerin eines großen Unternehmens die Zügel fest in der Hand, denn wie die Internetseite der VRT schreibt: „Bei ihr laufen alle Fäden zusammen!
…[Frau Schwarz ist] zuständig für die Koordination der einzelnen Fachbereiche und die Abstimmung mit den Gesellschaftern zu zentralen Fragen.“
Ihrer Erfahrung nach sind vor allem in der geschäftsführenden Ebene hauptsächlich Männer, auch wenn sich das Geschlechterverhältnis in den letzten Jahren etwas ausgeglichen hat. Diese Erfahrung spiegelt sich auch in einer EU-weiten Statistik zu Frauen in Führungspositionen wider, laut der in Deutschland nur 28,4% der Führungspositionen von Frauen besetzt werden. Damit liegt Deutschland deutlich unter dem europaweiten Durchschnitt von 34,7%¹ .
Generell sollte man sich insbesondere zu Beginn immer ein intensives Fachwissen aneignen, dies hilft akzeptiert zu werden. Bei ihren männlichen Kollegen sei sie gut aufgenommen und immer geschätzt worden, was auf Gegenseitigkeit beruhe. Zum Thema Entlohnung empfiehlt Frau Schwarz den jungen Frauen „nicht ängstlich zu sein“, denn es müsse gelten „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.

 

Julia Kappes, Bauingenieurin und Geschäftsführerin im Bauunternehmen Kappes, wusste bereits früh, dass sie in das von ihrem Großvater gegründete Familienunternehmen einsteigen will.
Schon während ihres Studiums des Bauingenieurswesens an der Hochschule fiel ihr auf, dass in der Baubranche deutlich mehr Männer als Frauen tätig sind. Während es zu Beginn des Studiums noch 12 Frauen und 78 Männer waren, erlangten nur drei Frauen gegenüber 45 Männern den Master of Engineering, was noch deutlich unter dem heutigen bundesweiten Durchschnitt von 30% weiblichen Studentinnen des Bauingenieurswesens liegt².
Die Bauingenieurin berichtet ebenfalls von überraschten Reaktionen aus ihrem Umfeld, dass sie sich als Frau für die Baubranche interessiert. Ihre Familie jedoch habe sie immer unterstützt, so Kappes.
Außerdem schließt sie sich Barbara Schwarz mit der Feststellung, dass sie sich als Frau insbesondere „durch fachliche Kompetenz hervorheben muss“ an. Ihre Hoffnung ist, dass die nächsten Generationen an Mädchen und jungen Frauen es leichter haben werden, ihre Ziele zu verfolgen und sich in hoffentlich künftig nicht mehr deutlich männerdominierten Berufen durchzusetzen. Eine Nachbesserung bezüglich des Gender Pay Gap im Baugewerbe – Männer verdienen im Durchschnitt 76%² mehr als Frauen - steht dabei noch aus.

 

Sowohl die beiden Geschäftsführerinnen, als auch der Altenpfleger Nico Braband sind sich einig, dass das Arbeitsklima von einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis stets profitiert.
Als Altenpfleger arbeitet er in einem Berufsfeld, welches mit 83% Frauenanteil deutlich weiblich dominiert ist.³
Die Entscheidung Altenpfleger zu werden hat er aufgrund einer persönlichen Erfahrung mit seinem pflegebedürftigen Großvater getroffen. Von seiner pflegerischen Ausbildung konnte die Familie in der Pflege des Großvaters enorm profitieren. Zudem wollte der Altenpfleger immer schon einen sozialen Beruf ausüben.
Nico Braband ist es wichtig die Vielseitigkeit der Altenpflege zu betonen und wie facettenreich der Arbeitsalltag ist. Um dem Fachkräftemangel in der Altenpflege entgegenzuwirken, wünscht er sich, dass sich mehr junge Menschen für diesen Beruf entscheiden.

 

Auch Max Kimmlingen ist in einem deutlich frauendominierten Berufsfeld tätig. Für ihn war früh klar, dass er mit Menschen arbeiten möchte und hat sich, nach dem Vorbild seiner Eltern die beide ErzieherInnen sind, für eine Ausbildung zum Sozialassistenten und Erzieher entschieden. In diesem Ausbildungsjahrgang waren die jungen Männern zu dritt gegenüber 37 Frauen deutlich unterrepräsentiert. Bei dem darauffolgenden berufsbegleitenden Studium der Sozialpädagogik und Management sah es ähnlich aus.
Max Kimmlingen berichtet, dass in seiner Erfahrung viele Menschen zwar oberflächlich große Anerkennung für den Beruf des Erziehers äußern, aber in Wahrheit einige glauben, es sei kein richtiger Beruf, sondern eher ein „Hausfrauending“. Ebenso wie der Pflegeberuf sind erzieherische Tätigkeiten häufig mit Care und Sorgearbeit verbunden, was auch heute noch häufig mit vermeintlich weiblichen Eigenschaften und Stärken verbunden ist und somit veralteten Rollenklischees entspricht.


¹ EU - Anteil von Frauen in Führungspositionen 2020 | Statista (13.05.2022)
² Frauen am Bau: Bauingenieurberuf recht beliebt (bayika.de)
³ Geschlechterverteilung bei Pflegekräften 2020 | Statista